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Wie ein Traum

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Die Münsteraner Band The Sea and Ease laden seit 2013 in Klangwelten voller Poesie und Geschichten ein. In ihren Songs vereinen sie Dreampop mit minimalistischem Elektro und treibendem Indierock. Unsere Redakteurin hat sich mit den Musikern getroffen und ist mit ihnen nicht nur in ihre Musik, sondern auch die noch junge Bandgeschichte eingetaucht.

Ich bin leicht, in einem Zustand voller Schwerelosigkeit. Die Luft, die mich umgibt, dämpft alles Störende. Ich bin leicht und ich träume. Ich träume von Meer, von Wind, von Regen, von Salz auf meiner Haut. Ich träume von all dem Schönen dieser Welt und noch viel mehr. Ich träume und ich bin leicht und frei und schwerelos. Und da ist diese Stimme in meinem Kopf. Eine zarte Stimme, die singt. Eine Stimme, Gitarre, Bass, Beat, Synthies. Musik. Und das Gefühl intensiviert sich. Es treibt mich in unbekannte Weiten, Traumländer, in die ich mich für 49 Minuten und 14 Sekunden flüchten kann. Dann ist das Album zu Ende. Und ich wieder wach.

Auf ihrer Facebook-Seite beschreiben sich The Sea and Ease selbst als Band, »die sich irgendwo zwischen sphärischem Dreampop à la Beach House, minimalistischem Elektro von Apparat und treibendem Indierock im Stile von The Whitest Boy Alive bewegt.« 2015 erschien ihr bis dato einziges gleichnamiges Album. Neun Songs, die in musikalische Klangwelten laden, die Geschichten erzählen und zum Träumen einladen. Melancholisch, nachdenklich, hoffnungsvoll und vor allem facettenreich. Aufgrund unterschiedlicher musikalischer Hintergründe und Vorlieben werden verschiedenste Einflüsse in ihrer Musik vereint.

Ihre Musik so recht zu definieren ist gar nicht mal so einfach. Der Bassist Nils gibt zu, auf die Frage, wie er ihre Musik beschreiben würde, wisse er nie so recht, was er darauf antworten solle. »Meist sage ich ›im weitesten Sinne Indie-Rock/ Pop‹ und bin mit dieser Beschreibung auch ganz zufrieden, auch wenn sie natürlich maximal unpräzise ist und auch so gemeint ist. Ich füge dann immer hinzu ›Einfach mal anhören!‹« Und genau das sollte man tun. Denn einfach nur Indie ist das nicht.

Dicke Socken, Gyros und ganz viel Meer

Gegründet wurde The Sea and Ease von Milan, Joris und Nils im Herbst 2013. Am Anfang diente der Keller von Freunden noch als Probenraum. »Ein kaputtes Fenster führte dazu, dass wir die ersten Proben mit Winterjacken und dicken Socken verbracht haben«, erzählt Nils. »Wir drei hatten in unseren Heimatstädten Dinslaken und Aachen bereits in Bands gespielt. Dort gestaltete sich aber das regelmäßige Proben als schwierig. Außerdem hörten wir ähnliche Musik und hingen auch so viel zusammen ab, da war die Bandgründung fast schon logische Konsequenz.«

Eins fügt sich zum anderen. Auf der Suche nach einem passenden Sänger bzw. einer passenden Sängerin stößt Lina dazu. Es passt. Musikalisch und menschlich. Nils erzählt weiter: »Nach vielen Proben, einigen Gyros Pitas und Konzerten ging es für mich für ein Erasmus-Jahr nach Frankreich. Also musste jemand Neues her.« So wird Valentin festes Mitglied als Gitarrist. Micka stößt ebenfalls zur selben Zeit hinzu. Zuletzt dann Anja, die Managerin. So zählt die feste Besetzung heute stolze sieben Leute.

Musikalisch halten The Sea and Ease, was sie versprechen. Ihr Stil – mal ruhiger, mal lauter, mal treibender, dann wieder minimalistisch, aber immer mit dem gewissen Etwas – führt den Hörer in musikalische Utopien. »Wir haben nach einem Namen gesucht, der ein bestimmtes klangliches Bild vermittelt«, erklärt Joris. »Das Motiv des Meeres als große, offene Fläche transportiert für mich Ruhe. Das Meer als fluide und eben nicht fixe Masse trägt andererseits Unsicherheit und Bewegung mit sich. Diesen Gegensatz fand und finde ich spannend.« Musik und Namen ergänzen sich perfekt. Das Konzept stimmt. Dennoch war das alles eine schwere Geburt. Die Namensfindung wurde bis zum letztmöglichen Zeitpunkt aufgeschoben, erzählt Nils. »Wir waren gerade dabei, unsere ersten Demoaufnahmen zu machen und nach ersten Auftritten Ausschau zu halten. Konkret haben wir nach einem Namen gesucht, der einerseits einen Bezug zu unserer Musik und andererseits gewissermaßen zu sich selbst herstellt. Bei The Sea and Ease sind wir fündig geworden, weil wir damals sehr verträumte, zurückgenommene, irgendwie sphärische Musik gemacht haben; da fanden wir das sprachliche Bild von Meer und Wasser irgendwie passend. Und ich fand es auch cool, dass der Name die beiden Wörter ›Sea‹ und ›Ease‹ verbindet: Bei einem Wort kommt nur ein Buchstabe hinzu und auch phonetisch sind beide Wörter sehr ähnlich, gewissermaßen spiegelbildlich.«

Musik als Sucht

Sie alle verbindet eines: die Musik. Fasst man alle genannten Einflüsse zusammen, ergibt sich ein buntes Bild. Joris: »The Rakes, Ratatat und Dinosaur Jr.« Valentin: »2% Jazz, 98% Funky Stuff.« Nils: »Beach House, The Whitest Boy Alive und Balthazar«. The Sea and Ease greifen die Einflüsse verschiedenster Vorbilder auf und erweitern ihre Musik um den besonderen persönlichen Faktor x. Ob nun die Möglichkeit, sehr private Dinge mit anderen Menschen zu teilen oder der Ausgleich zum Alltag aus Studium und Co. – Musik drückt aus, kompensiert, verfremdet, beruhigt. »Ich spiele gewissermaßen schon in Bands seit ich 15 bin. Irgendwie scheint das zu einer Art Sucht geworden zu sein«, sagt Nils. »Musik macht vieles mit mir: Mal Entspannung, mal Zerstreuung, mal Enthusiasmus.«

Vereint haben die Jungs und Lina das auf ihrem gleichnamigen Album »The Sea and Ease« aus dem Jahr 2015. Harmonische musikalische Texturen, die in traumgleiche Welten entführen und eine perfekte Symbiose von Instrument und Stimme schaffen. Musik und Text ergänzen sich gegenseitig, verhalten sich performativ. Der Test ist, was die Musik spielt. Die Musik spielt, was der Text ist. So heißt es in dem Song »Ships«: »Like Ships/ crashing in waves/ in storms/ that never fade/ like birds/ spreading their wings/ through clouds/ against the wind/ Like hope/ enlightening our hearts/ a fire/ out in the dark«. Dabei kreist das ganze Album thematisch um Freiheit und Schwerelosigkeit immer mit dem Hang zu Melancholie und Schwermut. Das Album ist schön, so banal das auch klingen mag.

Und auch wenn die Band mit »The Sea and Ease« einen ersten Punkt hinter ihre musikalische Ausrichtung gesetzt hat, geht es weiter. Sie hat sich weiterentwickelt. Von der Veröffentlichung ihres Albums über lokale Festivals bis zu ihrem letzten Auftritt vor fast 300 Menschen im Gleis 22 in Münster. Für Joris der größte Moment ihrer Karriere: der Auftritt beim Auf Weiter Flur-Festival in Münster. »Das war ein rundum stimmiger Moment.« Valentin ergänzt: »Der größte Moment für mich persönlich war der Auftritt im Planetarium in Münster. Die Atmosphäre dort und das Gefühl ›im Weltall‹ zu spielen, waren einmalig.« Darauf Nils: »In besonderer Erinnerung werden mir außerdem der Auftritt beim Rock an der Mühle (jetzt Kinkerlitzchen, Anm. der Autorin) im Sommer 2015 bleiben, weil das unser erster Auftritt auf einem Festival war, sowie der Auftritt in Bremen im Oktober, weil das für mich der erste richtige ›Roadtrip‹ war.«

Von Schiffen zu Wölfen

Ihre aktuelle Entwicklung lässt sich auf Youtube und anderen Online-Formaten nachvollziehen. Ihren neuen Song »Wolves« hat die Band im Rahmen der black recorded session für Münsteraner Nachwuchs- und Undergroundmusiker aufgenommen. Rhythmischer Synthesizer reiht sich an treibenden Beat reiht sich an klangvollen Bass. Elektronische Welten. Dann Ruhe. Dann Melodie. Linas Stimme geht in der Musik auf. Die Gitarre macht das Bild komplett. Du gehst in dieser Musik auf. Sie ist rund, sie ist schön und durchströmt dich. In »Wolves« passiert das, was auch das Album ausmacht. Es fließt. Alles reiht sich aneinander, geht ineinander über. Du vergisst die Zeit und genießt einfach, was da auf Hörnerv trifft. Und doch ist das musikalische Konzept ausgereifter, ein Stück weit erwachsener.

Valentin: »Insgesamt ist alles druckvoller und direkter geworden, was vor allem am Schlagzeug liegt. Ich finde aber, dass die vielen ruhigen Momente nicht verloren gegangen sind, was zu einer größeren Bandbreite an Stimmungen führt und für mehr Abwechslung sorgt.« Nils ergänzt: »Ich finde auch, dass durch die Hinzunahme von Micka am Schlagzeug unser Sound viel gewonnen hat, vor allem live. Vorher haben wir mit einer Drummaschine gearbeitet. Das hat die Arbeit und Strukturen teilweise schon etwas statisch werden lassen. Vielleicht sind wir unter dem Strich etwas rockiger geworden, arbeiten mehr mit verzerrten Gitarren. Auch Linas Gesang ist facettenreicher geworden, teilweise klingt da sowas wie Sprechgesang an. Ich mag die Entwicklung sehr und glaube auch, dass wir, gerade weil wir teilweise ganz unterschiedliches Zeug hören und auch unterschiedlich an das Songwriting herangehen, viel Potenzial haben, um Sachen abseits der bereits getrampelten Pfade zu schreiben.«

Man kann The Sea and Ease nur wünschen, dass sie ihren Weg gehen werden. An Potenzial und musikalischem Können mangelt es nicht. Durch ihre elektronisch-alternative Grundausrichtung fügen sie sich in aktuelle Trends der deutschen Musiklandschaft. Und wo sehen sie sich in fünf Jahren? Joris sagt ganz deutlich: »In der Juice und an den Posterwänden diverser Jugendzimmer.« Na also, Ironie ist da. Und mit einem kleinen Augenzwinkern lässt sich die weitere Entwicklung auch viel entspannter angehen.

Aktuelle Besetzung:

Lina Kratz – Gesang
Milan Strauch – Synthesizer
Valentin Boronowsky – Gitarre
Michael Schürmann – Schlagzeug
Nils Voßkamp – Bass
Joris Niggemeier – Gitarre/ Bass/ Synthesizer
Anja Zieba – Management

(c) Christoph Steinweg, LWL.

 


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